BG Verkehr startet Aktion gegen Ablenkung

30.09.2021 - Unfallforscher schlagen Alarm: Während die Zahl der schweren Verkehrsunfälle insgesamt sinkt, steigen Auffahrunfälle und Spurwechselunfälle auf Autobahnen mit Lkw-Beteiligung mittlerweile wieder an. Oft spielt Ablenkung eine tödliche Rolle. Mit einer Aktion will die BG Verkehr auf die Gefahren hinweisen.

Verschiedene Studien zu Verkehrsunfällen verdeutlichen es: Ablenkung im Straßenverkehr gehört zu den häufigsten Unfallursachen. Je nach Studie sind zwischen 15 und 25 Prozent der Verkehrsunfälle auf Ablenkung zurückzuführen. Eine Sonderauswertung aus Baden-Württemberg aus dem Jahr 2018 führt 19,4 Prozent der Getöteten auf Ablenkung zurück. Oder anders ausgedrückt: Allein in diesem Bundesland wurden in einem Jahr 80 Menschen getötet, weil ein Fahrzeugführer oder einer Fahrzeugführerin nicht bei der Sache war.

Steigende Zahl von Auffahrunfällen mit Lkw-Beteiligung

Auch im Güterkraftverkehr ist Ablenkung ein heißes Eisen. Insbesondere die Monotonie im Fernverkehr verleitet manche manchen Lkw-Fahrer bzw. manche Lkw-Fahrerin dazu, während der Fahrt anderen Tätigkeiten nachzugehen. Das Schreiben von Textnachrichten auf dem Smartphone ist nicht die einzige Ablenkungsquelle, aber eine besonders gefährliche, weil der Blick von der Straße und die Hände vom Lenkrad genommen werden. Die Folgen sind gravierend: Laut Meldungen aus der Fachpresse starben in den ersten neun Monaten dieses Jahres 52 Lkw-Fahrer bei Unfällen am Stauende, fünf mehr als im gesamten Jahr 2020. Darin noch nicht enthalten sind andere Verkehrsteilnehmende, die bei solchen Unfällen unkamen.

Bei Auffahrunfällen spielt Ablenkung eine besonders wichtige Rolle. Ein Blick in die bundesweite amtliche Unfallstatistik mit Zahlen von 2015 bis 2018 zeigt bei den von Sattelzugmaschinen-Lenkenden verursachten Auffahrunfällen mit Personenschäden einen steigenden Trend. Die niedersächsische Landesverkehrswacht warnt ebenfalls vor einer steigenden Zahl von Auffahr- und Spurwechselunfällen. Aufgrund der hohen Unfallrelevanz hat sich eine Arbeitsgruppe von Präventionsexperten der BG Verkehr mit dem Thema Ablenkung befasst – unter Mitwirkung von Unfallforschern (VUFO Dresden) und Verkehrspsychologen (Professor Dr. Mark Vollrath und Dr. Anja Katharina Huemer von der TU Braunschweig).

„Wenn im Straßenverkehr alles glatt läuft und keine anspruchsvollen Reaktionen erforderlich scheinen, kommt eine menschliche Schwäche zum Tragen: Menschen lassen in ihrer Konzentration nach und suchen sich oft Beschäftigung“, fassen die Leiter der Arbeitsgruppe, Michael Fischer und Hans Heßner, zusammen. Ablenkung beginnt dabei nicht mit dem Griff zum Smartphone. Untersuchungen zeigen, dass bereitsder Signalton einer eingehenden Nachricht, Gespräche, Einstellungen an Bedienelementen im Fahrzeug und viele andere Einflüsse die Konzentration auf die Fahraufgabe stören. Handlungsmodelle und  Experimente mit dem Fahrsimulator zeigen eindrucksvoll, wie empfindlich Menschen in ihrer Konzentration durch zusätzliche Aufgaben gestört werden, die räumlich-koordinative Orientierung erfordern.

Multitasking im Straßenverkehr ist eine Illusion

„Die Aufmerksamkeit des Menschen ist teilbar, aber nur begrenzt. Im Verkehr nehmen wir auch bei ruhiger Fahrt bereits eine Vielzahl von optischen und akustischen Reizen wahr. Jeder weitere nicht fahrbezogene Reiz verdrängt andere wichtige Informationen, sodass schnell Gefahren übersehen werden“, sagt Dr. Klaus Ruff, stellvertretender Präventionsleiter der BG Verkehr. Ruff weiter: „Das gefühlte Multitasking ist eine Illusion, denn unser Gehirn schaltet kurzzeitig ständig zwischen unterschiedlichen Aufgaben hin und her. Je mehr Dinge es gleichzeitig zu erledigen versucht, desto schlechter erfüllt es diese Aufgaben. Wer am Steuer abgelenkt ist, nimmt Risiken nicht bzw. nur verzögert wahr.“ Selbst wenn Telefon oder Navi sprachgesteuert werden, kostet dies Aufmerksamkeit. Werden Beobachtung und Beurteilung des Verkehrsgeschehens unterbrochen, geht dies zu Lasten reaktionsschnellen Handelns.

Neue Medienangebote der BG Verkehr

Um diese Erkenntnisse den Fahrerinnen und Fahrern zu vermitteln, hat die Arbeitsgruppe eine Reihe von Informationsmedien entwickelt, die im Rahmen einer Aktion den Mitgliedsbetrieben und der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Mehrere Animations- und Kurzfilme zum Thema Ablenkung rütteln auf und zeigen die Mechanismen der Ablenkung. Mit einem Blindflugrechner können Fahrerinnen und Fahrer ausrechnen, welche Strecke sie zurücklegen, während sie eine bestimmte Zahl von Sekunden abgelenkt sind. In einem Podcast tauschen sich ein Lkw-Fahrer, eine Verkehrspsychologin und ein Unfallforscher darüber aus, wie Ablenkung entsteht und welche praktischen Gegenmaßnahmen helfen. Die Medien werden von den Aufsichtspersonen der BG Verkehr in den Mitgliedsbetrieben verteilt. Auch auf der Lkw-Fachmesse NUFAM (30. September - 3. Oktober) und der Arbeitsschutzmesse A+A in Düsseldorf (26. - 29. Oktober) ist Ablenkung ein Schwerpunktthema am Messestand der BG Verkehr. 

Über die BG Verkehr
Die BG Verkehr ist die gesetzliche Unfallversicherung für die Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Telekommunikation. Bei ihr sind rund 1,7 Millionen Menschen versichert. Sie berät in den fast 200.000 Mitgliedsunternehmen zur Prävention und sorgt nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten für die Behandlung, Rehabilitation und Entschädigung ihrer Versicherten.

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