BG Verkehr sagt Absturzunfällen den Kampf an
Auch ein kleiner Fehltritt kann fatale Konsequenzen haben. Ob man in fast vier Meter Höhe auf einem Tankauflieger arbeitet oder „nur“ in 1,50 m Höhe die Ladungssicherung auf einem Sattelauflieger kontrolliert – wer als Lkw-Fahrer oder -Fahrerin vom Fahrzeug abstürzt, riskiert schwerste Verletzungen. Erschreckenderweise sind Abstürze im Transportwesen nicht selten. In Deutschland erlitten im Jahr 2021 5567 Beschäftigte beim Be- und Entladen von Lkw einen Absturzunfall, 2370 davon waren Versicherte der BG Verkehr. Sechsmal endete der Absturz tödlich. In 366 Fällen waren die Absturzfolgen so schwer, dass den Verunglückten eine Unfallrente gezahlt wurde. Absturzunfälle sind somit der häufigste Grund für Rentenzahlungen im Bereich Lagerung/Be- und Entladen – und dementsprechend ein Präventionsschwerpunkt der BG Verkehr.
Vision Zero ist realisierbar
Eine international besetzte Branchenkonferenz in Hamburg mit 120 Teilnehmern und Teilnehmerinnen aus dem Arbeitsschutz sowie der Transport- und Entsorgungsbranche zeigte drei Handlungsfelder auf:
- Technische Sicherungsmaßnahmen gegen Abstürze von Lkw und Aufbauten können deutlich verbessert werden. Mit einem Standardisierungsvorhaben will die BG Verkehr hier für klarere Vorgaben sorgen.
- Trainings und Unterweisungen auf der Basis einer individuellen Gefährdungsbeurteilung sind ergänzend dazu eine permanente Aufgabe für die Transportunternehmen.
- Eine wesentliche Unfallursache ist die erschwerte Koordination zwischen den Beteiligten der Transportkette, insbesondere an den Entladestellen. Hier bedarf es klarer Absprachen und umfassender Informationen für Fahr- und Ladepersonal gleichermaßen.
Die BG Verkehr will in allen drei Handlungsfeldern Verbesserungen erreichen. „Das Ziel Vision Zero – eine Welt ohne schwere oder tödliche Arbeitsunfälle und berufsbedingte Erkrankungen – ist bei den Absturzunfällen realisierbar. Wir werden weiter mit aller Kraft daran arbeiten“, sagte Dr. Jörg Hedtmann, Leiter des Geschäftsbereichs Prävention der BG Verkehr.
Als Mitveranstalterin sorgte die Sektion für Prävention im Transportwesen der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) für eine internationale Dimension der Branchenkonferenz. Referenten und Referentinnen aus Deutschland, Finnland, Schweden und Frankreich stiegen in die Analyse und die Suche nach Lösungen ein.
Vorrang für technische Maßnahmen gefordert
„Die Verhinderung von Absturzunfällen muss vor allem durch technische Maßnahmen umgesetzt werden und nicht allein durch Verhaltensänderungen der Versicherten!“, forderte Wolfgang Witzke, Vorsitzender des Präventionsfachausschusses Entsorgung der BG Verkehr. Wer Absturzunfälle nur durch Änderung des Verhaltens wie zum Beispiel durch das Abrutschen von der Leiter während des Abplanens oder beim Aussteigen aus dem Lkw verhindern wolle, greife zu kurz. „Es ist menschlich, auch schon mal unaufmerksam zu sein oder einen Fehltritt zu begehen. Vielmehr müssen diese möglichen Fehltritte oder Fehlverhalten durch technische Änderungen vermieden werden, so dass es gar nicht dazu kommen kann“, sagte Witzke.
Wer einen Fuhrpark betreibt und sich auf die Suche nach sicherheitsoptimierten Fahrzeugen macht, wird allerdings längst nicht immer fündig. So wurde auf dem Podium mehrfach kritisiert, dass sichere Aufstiege beim Bau von Serienfahrzeugen weniger Priorität haben als Ladevolumen und Kosten. Weiterer Kritikpunkt: Wenn zur Absicherung der Arbeitsfläche auf Tankaufliegern ein Geländer mit lediglich 70 cm Höhe eingesetzt wird, sei dies lediglich für Fahrpersonal mit einer Größe von maximal 1,45 m Größe ausreichend. Zum Vergleich: In der Maschinenrichtlinie, die für Transportequipment in der Regel nicht gilt, sind 110 cm Geländerhöhe vorgeschrieben. Andererseits zeigte sich auch, dass auf dem Markt gut durchdachte Lösungen – beispielsweise für Aufstiege – durchaus vorhanden sind.
BG Verkehr forciert Standardisierung
Leider fehlt derzeit noch an einer fahrzeugspezifischen Normung, welche die Sicherheit von Arbeitsplätzen an und auf Fahrzeugaufbauten sowie Anforderungen an Aufstiege, Zugänge und Absturzsicherungen regelt. Die BG Verkehr will hier Abhilfe schaffen. Erster Schritt ist die Erstellung eines VDMA-Einheitsblattes, bei der alle beteiligten Parteien (Hersteller, Fahrzeugbetreiber, Organisationen) einbezogen werden. Die BG Verkehr wird hierfür auf die betroffenen Verbände zugehen.
Erhöhtes Risiko an den Entladestellen
Martin Küppers, Leiter des Kompetenzfeldes Regelwerk und Arbeitssicherheit bei der BG Verkehr, hob einen weiteren Aspekt bei der Unfallvermeidung hervor. Die Situation an den Entladestellen sei für die Transportunternehmen kaum beeinflussbar, da sie in aller Regel keine vertragliche Beziehung zu den Warenempfängern haben. Küppers forderte von allen Beteiligten verstärkte Kooperationsbemühungen ein. „Das Fahrzeug, die Ladestelle, die eingesetzten Transportmittel, die umgeschlagene Ladung und die beteiligten Beschäftigten bilden gemeinsam ein Arbeitssystem. Es liegt auf der Hand, dass mehr Sicherheit nur erreicht werden kann, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten“.
Über die BG Verkehr
Die BG Verkehr ist die gesetzliche Unfallversicherung für die Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Telekommunikation. Bei ihr sind rund 1,6 Millionen Menschen versichert. Sie berät in den mehr als 210.000 Mitgliedsunternehmen zur Prävention und sorgt nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten für die Behandlung, Rehabilitation und Entschädigung ihrer Versicherten.
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