Energiewende und Automatisierung: Arbeitssicherheit von Anfang an mitdenken

05.02.2024 - Die Binnenschifffahrt muss sich für die Energiewende aufstellen und gleichzeitig Lösungen für den Fachkräftemangel finden. Auf der Branchenkonferenz Binnenschifffahrt der BG Verkehr suchten Wissenschaft und Praxis nach gangbaren Wegen.

Zwei Megatrends beschäftigen die Akteure in der Binnenschifffahrt: Zum einen die Energiewende und die Frage, welcher Energieträger das Binnenschiff in Zukunft antreiben wird. Zum anderen, ob sich der Fachkräftemangel durch Digitalisierung und Automatisierung entschärfen lässt. 100 Teilnehmende diskutierten während der zweitägigen Branchenkonferenz Binnenschifffahrt in den Räumen der BG Verkehr in Hamburg über diese Themen. Ebenso viele Teilnehmende verfolgten die Veranstaltung per Liveübertragung. Eingeladen hatte die BG Verkehr gemeinsam mit der Internationalen Sektion für Prävention im Transportwesen der Internationale Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS).

Dr. Jörg Hedtmann, Leiter des Geschäftsbereichs Prävention der BG Verkehr, hob die Bedeutung von Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei der Einführung neuer Technologien hervor. „Neue Technologien sind per se weder fehlerfrei noch ungefährlich. Gesellschaftliche, politische und technische Entwicklungen, auch solche für den Klimaschutz, dürfen die Bedeutung von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit nicht relativieren. Man muss Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz von Anfang an mitdenken“, betonte Hedtmann.

BG Verkehr will Technologiewandel eng begleiten

Bei den neuen Antriebs- und Energietechniken sieht Hedtmann erhebliche Herausforderungen in den noch fehlenden Rahmenbedingungen bezüglich rechtlicher Grundlagen sowie der Normung. Bei der Automatisierung stünden die Bedingungen am Arbeitsplatz Binnenschifffahrt manchem theoretischen Lösungsansatz im Wege. Deshalb sei es wichtig, dass sich Entwickler und Betreiber an einen Tisch setzen. Die BG Verkehr werde den Technologiewandel in der Binnenschifffahrt eng begleiten und die Mitgliedsunternehmen innerhalb ihrer Zuständigkeit beratend unterstützen. Auch in den Normungsgremien wolle die Berufsgenossenschaft weiter aktiv mitarbeiten.

Für die Energiewende wurde der Branche ein ehrgeiziges Ziel aufgegeben, das in der Mannheimer Erklärung der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) vom 17. Oktober 2018 nachzulesen ist. Treibhausgas- und Schadstoffemissionen sollen bis 2035 gegenüber 2015 um mindestens 35 Prozent reduziert werden. Bis 2050 sollen die Treibhausgase und andere Schadstoffe dann weitgehend eliminiert werden. „Anders als im Straßenverkehr kann die Energiewende in der Binnenschifffahrt nicht allein durch Neubauten erfolgen“, sagte Benjamin Friedhoff vom Entwicklungszentrum für Schiffstechnik und Transportsysteme (DST). Auch ein Umstieg auf moderne Motoren reiche nicht, um das Ziel zu erreichen. Signifikante Verbesserungen ließen sich nur durch den verstärkten Einsatz alternativer Energien erreichen.

Kraftstoffalternativen im Wettbewerb

Neben Dieselalternativen wie Gas-to-Liquid (GTL), Biomass-to-Liquid (BTL) und Hydrobehandelten Pflanzenölen (HVO) konkurrieren Flüssiggase, Lithium-Ionen-Batterien, Methanol, Wasserstoff und Ammoniak als Kraftstoffe der Zukunft. Wer das Rennen um die Nachfolge des bewährten Diesels macht, lässt sich derzeit nicht sicher vorhersagen. Jeder Kraftstoff hat seine spezifischen Vorzüge und Risiken, die während der Branchenkonferenz erörtert wurden. Motiv für Automatisierung und Digitalisierung an Bord von Binnenschiffen ist zum einen die Entlastung der Schiffsbesatzungen im Zeichen des Fachkräftemangels. Zum anderen spielen nach Worten von Dr.-Ing. Rupert Henn vom DST das Ausschöpfen von Wachstumspotenzial und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Verkehrsträgern, die ebenfalls automatisieren, eine Rolle. „Jedes Schiff kann mit Automatisierungstechnik im 24-Stunden-Betrieb fahren“, sagte Henn. Wie die Branchenkonferenz zeigte, gibt es dennoch Vorbehalte im Gewerbe. Offene rechtliche und sicherheitstechnische Fragen kamen in Hamburg ebenso zur Sprache wie Bedenken der Schiffsbesatzungen.

Pilotprojekt auf dem Rhein

Erste Pilotprojekte sind jedoch bereits auf dem Weg. Im Dezember genehmigte die Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) erstmals ein Projekt zum ferngesteuerten Betrieb dreier Schiffe beziehungsweise von Schubverbänden auf dem Rhein. Demnach können diese zu bestimmten Zeiten von einem Operator in einer Fernsteuerungszentrale ferngesteuert werden. Dabei muss sich aber im Rahmen des Pilotprojektes immer ein Schiffsführer oder eine Schiffsführerin und eine vollständige Besatzung an Bord befinden, um jederzeit eingreifen zu können.

Über die BG Verkehr
Die BG Verkehr ist die gesetzliche Unfallversicherung für die Verkehrswirtschaft, Post-Logistik und Telekommunikation. Bei ihr sind rund 1,7 Millionen Menschen versichert. Sie berät in den mehr als 200.000 Mitgliedsunternehmen zur Prävention und sorgt nach Arbeitsunfällen und bei Berufskrankheiten für die Behandlung, Rehabilitation und Entschädigung ihrer Versicherten.

Artikelaktionen